Meine Frau und ich betreuen seit mehr als fünfzehn Jahren immer wieder junge heiratswillige Pärchen. Eine gute Sache und wir durften dabei schon viel erleben. Die jungen Leute heiraten nachdem sie glauben, sich gut genug zu kennen und gehen in die Ehe mit der Gewissheit, dass es gut oder nicht so gut kommen kann. Jedenfalls gibt es das oft beobachtete Muster, dass der eine Ehepartner noch zu Ende studiert und der andere Teil sich mal auf ein Leben zu Dritt einstellt (es ist übrigens nicht immer die Frau). Die Motivation ist hoch, die Pläne sind kühn. Der Studienabschluss erfordert höchste Konzentration. Der Teilzeitjob nervt ganz schön und ist anstrengend, da man auch immer dann dringend gebraucht wird, wenn man sowieso wieder eine Prüfung vor sich hat. Der Ehepartner stellt Ansprüche, die kaum zu erfüllen sind. Die genannten Vergleiche, wie es andere Paare machen und es gemeinsam schön haben, sich dies und jenes leisten können, regelmässig in die Ferien gehen usw., diese Vergleiche sind unfair, da die Voraussetzungen meist sehr unterschiedlich sind. Dann ist die erste höhere Ausbildungsphase hinter ihnen und es kann an ein regelmässiges gutes Einkommen gedacht werden. Eine bessere Wohnung und die eine oder andere grössere Ausstattung.

Im Job läuft’s ganz gut. Man hat sich eingespielt, trifft übers Wochenende Freunde, geht in Clubs und in Kinos. So könnte es nun mehrere Jahre weitergehen. Eine gewisse Langeweile beschleicht den Alltag und Routine macht sich breit. Es muss etwas Neues passieren, etwas Bereicherndes!

Das erste Kind.

Obwohl noch so viel auf dieser Welt zu sehen gewesen wäre und als Paar hätte erlebt werden können, hat es das Schicksal anders gewollt: Man ist jetzt zu dritt! Gerade eben in der Firma mit mehr Team-Verantwortung ausgestattet, verbunden mit einer kleinen Lohnerhöhung, welche man nun gut gebrauchen kann, und nun diese Situation im Privatleben. Man erlebt die Umgebung auf einen Schlag ganz anders. Man trifft sich vermehrt mit anderen Paaren in ähnlichen Zuständen und im gleichen Entwicklungsstand. Kino, Clubs, spontaner Ausgang liegen nicht mehr drin. Im Mittelpunkt ist das kleine Wesen. Konstant ist man übermüdet vom unruhigen und zu wenig Schlaf zuhause. Die Dinge, mit denen man sich abgeben und beschäftigen muss, sind nicht auf dem intellektuellen Niveau des Studiums. Die Babysprache und die Kommunikationsthemen mit dem Partner oder der Partnerin sind auf eine ärmliche Sprache mit einem eingeschränkten Wortschatz geschrumpft. So etwas hätte man sich früher nie vorstellen können. Überhaupt wird zuhause fast nur noch über Organisatorisches gesprochen, Liebe und Zuneigung wo seid ihr geblieben? Immer ist dieses „Wesen“ dazwischen, ob man schlafen, essen oder reden will!

Die Flucht in die Karriere.

Zum Glück gibt’s da noch die Firma. Man kann raus aus dem Haus, hat mal etwas Ruhe, wird intellektuell gefordert und führt mit Kunden und Kollegen vernünftige und anspruchsvolle Gespräche. Zuhause muss eine Struktur rein. Die Kinderkrippe bestimmt den Tagesablauf und ebenso gibt sie die Taktrate vor. Es muss alles passen. Krankheit, von wem auch immer, liegt nicht drin. Gemeinsam gegessen wird, wenn es hoch kommt, einmal im Tag. Die Anschaffung des grösseren Autos, natürlich wegen der Utensilien für den “Wurm“ kann man sich wegen einer guten Leasingrate leisten. Aber das Wichtigste: Die Karriere stimmt! LLL (long-life-learning) ist kein Schlagwort sondern es ist eine Realität und Ihnen wird bewusst, wenn man die CV’s der Kolleginnen und Kollegen im Umfeld zum Vergleich mit dem eigenen heranzieht, es muss noch eine Weiterbildung geplant werden. Also nichts wie los an Infoveranstaltungen und sich etwas „anschnallen“, was die Arbeit möglichst nicht beeinträchtigt. Also möglichst samstags und sonst abends.

Der Druck nimmt zu.

Wenig Zeit für die Familie, viel Zeit für die fordernde Arbeit und dazu noch die Schule. Eigene Bedürfnisse, wie mal wieder ein gutes Buch lesen, Sport treiben oder mal wieder einen Männer- bzw. Frauenabend geniessen, bleiben auf der Strecke. Zwar gesund und mental fit und trotzdem immer öfter mit dem Gefühl, etwas zu verpassen und etwas neben den Schuhen zu laufen. Habe ich eine Fehlentscheidung getroffen, geheiratet zu haben? Mute ich mir zu viel zu? Ist die Karriere etwa gar nicht so wichtig? Gewissensbisse! Zuerst seiner Partnerin oder seinem Partner gegenüber oder des sich entwickelnden Nachwuchses. Vor allem, wenn dann noch ein zweites Kind unterwegs ist, und auf der Karriereleiter noch eine Sprosse mehr nach oben erklommen wird. Scheidung, wie es über 50% aller Verheirateten in der Schweiz auch machen, ist kein Schreckgespenst mehr sondern mehr eine Frage der Vernunft. Eine Scheidung ist aber verbunden mit moralischem, aber auch finanziellem Druck. Kann dies die Lösung sein, die endgültige Lösung?

Es gibt ein Licht am Horizont

Eine nüchterne Lageanalyse mit einem Spezialisten, einem Ehecoach oder einem erfahrenen Ehepaar, keine Elternteile des Paares, können mindestens eine Entspannung bewirken oder eine Gesprächsebene bieten, die ohne externe Hilfe nicht mehr möglich ist. Im Idealfall können regelmässige Besuche bei einem verständnisvollen Ehepaar, welches ähnliche Situationen erlebt hat, vereinbart werden. Dieses kann aus der eigenen Praxis Tipps weitergeben, wie sie ebensolche Herausforderungen überwinden konnten. Es wird Arbeit nötig sein und Einsichten sowie Ansprüche an den Partner die Partnerin müssen verändert werden. Am meisten hilft eine eigene Umorientierung seiner Sichtweise und vor allem den Willen, seine Gewichte und Anschauungen umzudisponieren. Das Ziel, eine Ehe zu Führen „..bis dass der Tod euch scheidet…“ verbietet den Gedanken an Scheidung. Scheidung darf keine Option sein. Entspannung erfolgt auch durch gemeinsame Unternehmungen – nicht nur in den Ferien. Ein Besuch im Zoo. Eine Wanderung auch bei schlechtem Wetter, oder einfach mal wieder einen Samstag- oder Sonntagnachmittag im Hallenbad. Führen Sie Qualitätszeiten ein. Wichtig dabei: Sie besprechen dabei keine organisatorischen Themen und reden nicht über das Geschäft. Auch Haushaltsprobleme finden in diesen Gesprächen keinen Platz. Sie reden nur über Ihre eigenen , höchst persönliche Dinge und Gefühle, so wie es vor Ihrer Ehe gemacht haben. Hören Sie sich aktiv zu! Planen Sie in Ihrer Agenda regelmässige und ganz bewusste „Datenights“. Überraschen Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin mit einem überraschenden Termin nur für Sie als Paar.

Dutzende von Ideen, wie man zu Zweit weiterkommen kann, liefern auch sogenannte Ehewochenenden. Verschiedene Organisationen bieten solche an. Zum Beispiel www.bide.ch

Sollten Sie daran interessiert sein mehr über dieses Thema zu erfahren, dann werde ich dies in einem neuen Blog aufnehmen oder Referenzen zu Büchern geben sowie Links dazu ausfindig machen.

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Kommentare

Rebecca

Danke für den bereichernden Post. Sehr interessant! Freue mich daruf, weitere spannende Artikel zu lesen…

Paul Kuhn

Liebe Rebecca, Danke für das Interesse. Bald werde ich neue Blogs verfassen. Hast du die anderen Beiträge ebenfalls gelesen? Bis bald.

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