Immer wieder nehme ich in meiner Beratertätigkeit bei Entscheidungsträgern Anforderungsprofile vakanter Chefposten entgegen. Die Liste an Anforderungen im Bereich der Persönlichkeitsmerkmale und Erwartungen ist meistens lang. Gäbe es ein Ranking unter den beliebtesten Anforderungen, wären folgende Eigenschaften in den Top 10: führungsstark, teamfähig, überzeugend, kommunikationsfähig und verhandlungsgeschickt. Erst am Ende eines solchen Wunschkatalogs findet man das Adjektiv „authentisch“. Wenn ich meinen Gesprächspartnern gegenüber jeweils diese Eigenschaft als Ergänzung erwähne, dann habe ich bisher noch niemanden sagen hören, dass sie diesen Wunsch nicht auch verspürten und sie dieses Kriterium auf der Liste eher zu den zehn Erstgenannten zählen wollten. Warum ist diese Eigenschaft nicht offensichtlicher? Setzen wir  einfach voraus, dass jemand authentisch ist. Was heisst und bedeutet es überhaupt, authentisch zu sein?

Ohne Maskerade – „man selbst sein“

Authentische Menschen wirken echt, ehrlich, nicht aufgesetzt und offen. Ein authentischer Mensch strahlt aus, dass er zu sich selbst steht, dass er sich keine Maske aufsetzt und sich nie und unter keinen Umständen verstellt. Er steht also zu seinen Stärken und seinen Schwächen. Er verbiegt sich nicht. Auch bei einem Vertragsabschluss oder einem Vorstellungsgespräch geht er keine faulen Kompromisse ein und bleibt sich selbst und dadurch in jeder Beziehung glaubwürdig. Dies jederzeit und in jeder Situation zu leben erfordert Rückgrat, Mut und Risikobereitschaft. Der Umgang mit so einem Menschen dürfte für ein Gegenüber oder ein Team nicht immer leicht sein. Für die Umwelt gelten solche Leute meist als unbequem und rebellisch. Unangepasste Menschen stossen an. Sie behindern im Geschäftsleben zum Beispiel Pläne und Umsetzung in der dafür vorgesehenen Zeit. Der positive Aspekt davon kann sein, dass durch das mutige Votum ein Fehler vermieden werden konnte und damit die Qualität optimal ist und die Kundenzufriedenheit als Referenz dient.

„Eigentlich bin ich ganz anders…“

„Ganz anders“ ist ein Hit von Udo Lindenberg und Jan Delay. Der Wortlaut im Song: „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur viel zu selten dazu. Du machst hier bald mit einem Bekanntschaft, den ich genauso wenig kenne wie du.“ Dieser Text hat mit Wahrheit und Echtheit zu tun. Ein Echtheitssiegel in Bewerbungsprozessen einzuführen, das wäre mal eine Innovation im sonst so innovationsarmen HR-Wesen. Dies würde sich aber sicher bald als Quatsch herausstellen, da unsere Echtheit von unserer Identität und unserer Entwicklung abhängt und sich entsprechend verändert. Echt und damit authentisch sein, von morgens bis abends und dann auch noch zuhause, dies dürfte ein schwieriges Unterfangen sein. Wie viele Kompromisse gehen wir doch tagtäglich immer wieder ein, zum Beispiel um anderen zu gefallen oder um eines Erfolges willen? Oder vielleicht einfach, weil es uns das Leben einfacher macht oder weil wir die Harmonie nicht stören wollen. Weil wir gar kein Interesse haben, es uns einfach wurscht ist, wie sich Dinge entwickeln.

„Talk the talk … walk the talk“

Authentisch leben heisst also mit sich selbst im Reinen zu sein. Es bedeutet, dass so wie ich denke, rede ich und wie ich rede, denke ich. Im Englischen wird dies mit „Talk the talk … walk the talk“ bezeichnet und bringt das Thema auf den Punkt. Führungskräfte, die nicht ehrlich kommunizieren, nicht als Vorbild mit allen Stärken und eigenen Schwächen vorangehen, haben verloren. Sie glauben zwar in ihrem blinden Selbstbewusstsein und mit grosser Selbstsicherheit, (übrigens sind diese zwei Kriterien weit vorn in der Liste des imaginären Anforderungs-Rankings zu finden) dass sie ihre Mitarbeitenden mit einer (unehrlichen) Aussage und Information überzeugt hätten und merken dabei nicht, dass die „gschpürigen“ Mitarbeiter/innen die Echtheit und Wahrheit sehr gut selbst einschätzen können und es sich um unglaubwürdige Manipulation und Täuschung handelt.

Authentizität führt zu einer Vertrauensbeziehung

Lüge, Täuschung und Manipulation führen über kurz oder lang zu einer Beziehung unter Menschen, die nicht von Vertrauen und Glaubwürdigkeit getragen ist. Es führt im Gegenteil zu Misstrauen und Missstimmung. Führung mit klarem „Nein“-Sagen-Können und nicht „Jein“-Denken und „Ja“-Sagen ist oft härter aber auf die Dauer erfolgreich. „Man weiss was man an ihm hat und womit man bei ihm rechnen kann“ sind viel gehörte Aussagen über Menschen, die als loyal und integer gelten und somit vertrauenswürdig sind. Dies sind aber oft auch Leute, die ihre Grenzen kennen und gelernt haben ihre Gedanken zu äussern und sich dabei vor Ablehnung nicht scheuen. Man traut ihnen etwas zu, weiss aber genau, wofür sie nicht stehen. Dies ist wohl das beste Fundament für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, aber auch für jede zwischenmenschliche Beziehung.

Authentizität vs. Verschwiegenheit

Bedeutet denn authentisch zu sein immer auch „wie ein offenes Buch“ gelesen werden zu können. Nein, es gibt geschäftliche und gesellschaftliche Spielregeln, wo es nicht sinnvoll wäre, unter dem falschen Verständnis von Authentizität alles sagen und offenlegen zu müssen.

Ein Beispiel aus meiner eigenen Praxis soll dies illustrieren: „Authentizität bei einem Stellenwechsel und der Nennung des neuen Arbeitgebers“. Muss ich also, um authentisch zu sein, meinem aktuellen Arbeitgeber den Namen des neuen Arbeitgebers mitteilen?  Wenn niemand danach fragt und sich nicht dafür interessiert, erübrigt sich das sowieso. Wenn Ihre Vorgesetzten oder das Human Resources beim Austrittsgespräch danach fragen, weil vielleicht eine Konkurrenzklausel im Arbeitsvertrag besteht oder ein Hinweis auf die Folgen der Verletzung der Geschäftsgeheimnisse notwendig ist, dann muss unter dem Aspekt, dass jemand authentisch ist, die Firma zwingend genannt werden, auch wenn der Stellenantritt erst Monate später erfolgen sollte. Zum Schweigen ist aber dann geraten, falls man ohne den oben erwähnten Sachzwang niemanden vor den Kopf stossen oder enttäuschen will. Dies auch dann, wenn nach dem Wechsel sowieso alles öffentlich wird und die Enttäuschung trotzdem Realität wird. Muss man sich und dem Arbeitsverhältnis also Schaden zufügen, nur um der Offenheit willen? Muss Diskretion und Verschwiegenheit der prinzipiell verstandenen Authentizität geopfert werden? Diese Frage bleibt wohl jedem selbst überlassen und ebenso die Antwort darauf. Jeder Mensch weiss aufgrund seiner persönlichen Wertehaltung und Einstellung was fair und anständig ist und was nicht. Manchmal sind wir aber versucht, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen.

Unlautere Geschäftspraktiken

Die Leitplanken in meinem Leben setzt die Bibel. In diesem Punkt finde ich in den Sprüchen folgenden Vers: Spr.17.11 „Der Herr fordert Gerechtigkeit im geschäftlichen Umgang.“ Wenn ich mein Leben nach der Bibel ausrichte, dann gibt es keine faulen Kompromisse; Gott besteht auf Ehrlichkeit bei jeder geschäftlichen Transaktion. Unlautere Geschäftspraktiken lassen sich mit nichts entschuldigen. Es ist nicht immer einfach ehrlich zu sein, aber das Gebot ist klar. Ich bitte dann immer um die nötige Weisheit und den Mut, in jeder Situation sauber und ehrlich zu sein. Diese Haltung kann ich zur Nachahmung nur empfehlen.

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